Wahrnehmung

Zitat aus Siebel/Winkler: Noosomatik Bd. 5, 2. Aufl., S. 133

5.10.2. Sinneseindrücke

Wahrnehmung kann unterschieden werden in physiologische Aufnahme (das Auge sieht, was es sieht - Sinneseindruck) und geistiger Zurkenntnisnahme von Sinneseindrücken (der Mensch nimmt bewusst wahr, was er wahrnehmen will - Apperzeption). Alles, was unsere Sinnesorgane aufnehmen, wird ohne Bewertung aufgenommen, nur nach dem tatsächlichen Vermögen des jeweiligen Sinnesorgans. Unser Bewusstsein nimmt zur Kenntnis (einschließlich der Mitwirkung der tendenziösen Apperzeption) und stellt den Sachverhalt nach subjektiver Einstellung fest (ergreifen - nennen). Der Zusammenhang eines Sachverhaltes ist jedoch stets mehr als die Summe seiner Tatbestände, die Dimension der die Tatbestände zum zusammenhängenden Sachverhalt verknüpfenden Elemente sind als Sinndimension stets anwesend. Ein Sachverhalt bestehe aus drei Tatbeständen (A,B,C); dann ergibt sich für die Erfassung des Sachverhaltes: A und B und C, wobei die Konjunktion ”und” die Dimension des Zusammenhangs darstellt und auf den Sinn weist. Jedes ”und” kann jedoch inhaltlich wieder jeweils anders sein.

Bei Lücken in der geistigen Erfassung (oder bei der Wahrnehmung), wie z. B. bei Naivität (siehe Noosomatik Bd.I-2 und die Syndrome Hiatuphilie 8.7.2.4. und Hiatumanie 8.7.6.2.), neigt ein Mensch dazu, ihm unvollständig Erscheinendes in seinem ”Sinne” zu ergänzen (Supplementtendenz) und ihm undeutlich Erscheinendes in seinem ”Sinne” zu verdeutlichen (Prägnanztendenz). Dadurch kann der Bedeutungsgehalt eine solche Änderung erfahren, dass der Realitätsgehalt eine Sinndeutung nicht mehr zulässt: Die korrigierte Bedeutung geschieht zum Wohlgefallen des unterbewussten Systems, Bedeutung wird mit Sinn gleichgesetzt. Die Tendenz des unterbewussten Systems, ein Gleichgewicht zwischen Realität und eigener Sicherheit zu gewährleisten, bindet die erarbeitete Bedeutung an eine als angenehm empfundene Stimmung (thalamische Zufriedenheit). Deshalb kann die Regel aufgestellt werden: Die Stimmung bestimmt die Wahrnehmung. Aversiver Ausfall von Wahrnehmungsfunktionen (Agnosie) kann organische Gründe (optische, akustische und taktile Agnosien, Somatoagnosien) oder noogene Ursachen haben. Die Unterscheidung von Simulation und Aggravation (Verstärkung der Symptomatik) ist in den meisten Fällen nur bei Kenntnis der noogenen Beteiligung möglich. Intensitätsminderungen oder Intensitätssteigerungen sind unter besonderen Umständen normal. Sie können jedoch aversiv auch aus noogen intendierten Sicherheitsgründen auftauchen. Änderungen der Größen- und Gestaltenwahrnehmung sind aus den gleichen Gründen möglich, können jedoch deutlich pathologische Symptome sein, z. B. bei dem Phänomen der Derealisation oder der Halluzination.